Eine schattige Terrasse über dem Meer, Kinder lachen, Geschirr klappert, es duftet nach Pasta. Inmitten einer fröhlichen Familienschar sitzt wettergegerbt und sonnengebräunt der Patron und schaukelt einen Enkel auf den Knien. Der Name des Ristorante passt gut zu diesem Bild: Del Greco. Da sind wir doch gerne zu Gast.
Va piano
Anfang Juni in Kalabrien. Die Sonne scheint gnadenlos vom blauen Himmel. Die Temperaturen gehen gegen gefühlte 30 Grad. Genau das, was sich der sonnenhungrige Tourist nach einem langen, deutschen Winter wünscht. Dazu noch ein Plätzchen im Schatten, ein Teller Nudeln und ein kühles Getränk. Perfekt. Der alte Grieche ist aber noch nicht so weit. Freundlich und wortreich erklärt er, dass sein Lokal noch nicht geöffnet hat.
Die Saison beginnt erst langsam gegen Ende des Monats, um dann im Juli und im August ihren Höhepunkt zu erreichen. Allerorten wird zwar schon vorbereitet, aber überwiegend genießen die Einwohner von Le Castella den Frühling und die Ruhe vor dem Touristensturm. Der kommt noch früh genug.
Über den Fluss und in die Wälder
Die Küsten am ionischen Meer laden zum Dolce far niente ein, und dem geben sich viele Urlauber gerne hin. Die kleinen Strände sind attraktiv und die Kosten für Essen und Trinken erfreulich günstig. Wer es etwas sportlicher mag, der besucht die kalabrische Sila, eine hügelige bis alpine Wald-, Wiesen- und Seenlandschaft. Der höchste Gipfel ragt über 1900 m auf (Monte Botte Donato).Hier gibt´s im Winter sogar Abfahrtsski und Langlauf in gespurten Loipen. Im Sommer ist natürlich Wandern angesagt. Eine fremde Welt mit pittoresken Dörfern und vielfältiger Tier- und Pflanzenwelt. Einige Orte sind konsequent touristisch auf- und ausgebaut worden (z B. der Retortenort Camigliatello). Darum mache ich lieber einen großen Bogen.
In Kalabrien haben viele Reisende ihre Spuren hinterlassen. Byzantiner, Griechen, Normannen und Osmanen waren hier. Sehr schön anzusehen ist deren historische Hinterlassenschaft in Santa Severina, über 300 m hoch auf einem Plateau gelegen mit sensationellen Ausblicken. Mittelpunkt ist das Kastell mit einer schier endlosen Liste früherer Bewohner und archäologischen Ausgrabungen. Ich fand fast genau so schön den Restaurant-Tipp aus dem Reiseführer: La Locanda del Re.
Salute
Sonst gehe ich konsequent den Tipps zu Essen und Trinken aus dem Weg. In dem Fall mache ich eine Ausnahme. Zum Glück. Eine Weinlaub bewachsene Terrasse hoch über´m Neto-Tal mit freundlichem Service, hausgemachten kalabrischen Spezialitäten und einem kühlen Ciro sorgen für die richtige Urlaubsstimmung. Und der Chef lässt nicht locker und will unbedingt wissen, wie die von seiner Frau hergestellten Nudeln geschmeckt haben. Da stoße ich mit meinem Italienisch schnell an Grenzen. Im Stillen danke ich Domenico, meinem heimischen Lehrer, für seine Geduld und den einen oder anderen praktischen Hinweis auf die Feinheiten der italienischen Sprache. Die Locanda ist ganz leicht zu finden. Eine Adresse braucht´s nicht. Der Ort ist ja nicht groß.
Das Schloss
Ein Kastell hat Le Castella auch zu bieten. Der Name ist also Programm. Es liegt direkt gegenüber dem Del Greco. Natürlich habe ich es nach ein paar Tagen auch besichtigt. Alles sehr aufgeräumt und mit den üblichen Spuren einer großen Vergangenheit. Inzwischen war auch der alte Grieche so weit, dass er auch für zahlende Gäste leckere Nudeln und einen kühlen Bianco angeboten hat. Den Besuch habe ich nicht bereut. Ich lebe sowieso lieber in der Gegenwart.
Bilder: Norbert Finkenbusch, Hagen